Grenzerfahrung: Einmal rund um Rhön-Grabfeld – soweit die Füße tragen
„Das war eine echt coole Idee und zur Umsetzung wurde das passende Team gefunden“ so lautete das begeisterte Fazit der Rhöner Läuferinnen und Läufer nach dem Grenzlandlauf am vergangenen Wochenende. Bei dieser Veranstaltung handelt es sich aber nicht um den gleichnamigen Mühlfelder Rhön-Grabfeld-Cup-Lauf, sondern um „das- etwas-andere-Lauferlebnis“.
21 Frauen und Männer der heimischen Läuferszene waren 22 Stunden unterwegs, um 234,73 Kilometer in 17 Etappen entlang der Landkreisgrenze zu erlaufen. „Wir haben von einem befreundeten Läufer aus der Allgäu-Region eine ähnliche Aktion aufgegriffen und für den hiesigen Landkreis errechnet“ berichtete Susanne Haßmüller vom SC Ostheim. Mit Ehemann Tino, dem gemeinsamen Freund Sascha Klee und dem Frankenheimer Marcus Enders wurden die einzelnen Abschnitte und Wechselpunkte, sowie der Zeitplan festgelegt.
Los ging es – mit Stirnlampen ausgerüstet – um Mitternacht am Irmelshäuser Badesee, entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Rhys Bishop und Tino Haßmüller erreichten knapp eineinhalb Stunden problemlos Sondheim im Grabfeld. Dabei amüsierten sie sich über einen aufgeschreckten Igel „dass die so schnell laufen können, hätten wir nicht erwartet“. Auch die beiden folgenden Läufer Sebastian Martin und Johannes Simon kamen gut voran und übergaben in Filke den Staffelstab an Anna Lena Klee, Dietmar Schultheis und Nico Mühling. „Unser Abschnitt war eine einzige Herausforderung, denn eigentlich wäre unsere Strecke nur elf Kilometer lang gewesen“, berichtete Letzterer. „Wir haben uns zigmal verlaufen und irgendwann war der Weg nicht mehr passierbar, so mussten wir uns vom Orga-Team über GPS lotsen lassen.“ Bezeichnenderweise hatte eine der Läuferinnen am Morgen ebendiesen Tagesspruch auf ihrem Kalender: „Wer vom Weg abkommt, lernt die Gegend kennen“. Dank Handy- und Uhrentracking waren die Sportler aber immer bis auf wenige Meter genau erkennbar.
Abenteuerlich ging es auch für das nächste Laufduo weiter, neben der Begegnung mit einem Hirsch traf man in den frühen Morgenstunden auf einen verärgerten Jäger, der in seinem Hochsitz das Wild beobachtete. „Wir hatten aber dann das Glück, von der nächtlichen Stille in den Sonnenaufgang – begleitet von Vogelgezwitscher – laufen zu dürfen“ berichtete Daniela Mültner begeistert.
Der nachfolgende Streckenabschnitt führte von Melpers über die Hochrhön zum Schwarzen Moor. Christian Topitsch und Andreas Stubenrauch mussten stellenweise querfeldein, durch achselhohe Brennessel- und Brombeersträucher und holten sich dabei einige Blessuren. Vom Schwedenwall ging es Richtung Kreuzberg, der Marcus Enders, Holger Trump und Bastian Reukauf mystisch im Nebel erwartete. Für die beiden Erstgenannten war diese Route ein richtiges Heimaterlebnis, stammen sie doch aus dem naheliegenden Frankenheim. Nun war auch ein Großteil der Höhenmeter bewältigt und „es rollte bei strahlendem Sonnenschein entlang der Walddörfer nach Premich“.
Ab sechs Uhr wurden die Läufer vom Oberbacher Jochen Rüttiger auf dem Fahrrad begleitet, der mehrfach mit den Reifen feststeckte, aber auch mit den teils heftigen Anstiegen zu kämpfen hatte. „Wie kann man nur so viele Rampen an der Grenze einbauen- das ist ja das reinste Intervalltraining“ lautete sein trockener Kommentar.
Mit Nadine Richter und Susanne Haßmüller übernahm das einzige rein weibliche Duo den Staffelstab von Unterebersbach nach Burglauer. Hier stand auch wieder ein Transferfahrzeug mit ausreichend Verpflegung bereit, ehe sich ohne Verzögerung die nächsten Läufer in Richtung Maria Bildhausen verabschiedeten. „Durch die geniale Fernsicht hatten wir bei herrlichem Laufwetter den Kreuzberg, Heidelstein und die Rhön im Blick“ schwärmten die Teilnehmer. Am frühen Nachmittag war man somit auch schon im Grabfeld angelangt, von Großbardorf aus führten die Etappen über Bundorf nach Ermershausen. Das Mahnmal in Gompertshausen rückte noch einmal die innerdeutsche geschichtsträchtige Grenze in den Fokus der vorbeiziehenden Läufer. Die verbleibende Schlussrunde in der Abenddämmerung des längsten Tages im Jahr wurde von einem Großteil des Teams gemeinsam bewältigt. Duschen, Beine hochlegen, gemeinsames Essen und Übernachtung am Irmelshäuser See rundeten das Unterfangen ab.
„Wir hatten heute den perfekten Tag, Spaß und Abenteuer, aber auch Entschleunigung und Bewunderung für unsere herrliche Heimat“ brachte es Susi Haßmüller auf den Punkt. „In einem besonderen Laufjahr ohne Wettkämpfe war dies ein besonderes, gemeinschaftliches Erlebnis unter Freunden“. Auch wenn es teilweise schwierige Streckenabschnitte gegeben habe, seien alle wohlbehalten an ihrem Wechselpunkt angelangt – am Ende perfekt im Zeitplan. „Zwischendurch musste sich unser Sascha aber immer wieder die Frage gefallen lassen: „Ist das wirklich der richtige Weg – nicht euer Ernst“, lachte die gebürtige Trappstädterin.
„Durch diesen Lauf waren wir an völlig unbekannten Stellen und konnten somit auch die unglaublich abwechslungsreichen Landschaften Rhön-Grabfelds bestaunen – und alles mit den eigenen Füßen.“, hieß es übereinstimmend aus dem Kreis ihrer Laufkollegen.
Manche der Teilnehmer absolvierten zwei oder drei Abschnitte, gelaufen wurde immer zu zweit. Die Etappen zählten zwischen zehn und knapp 19 Kilometer, insgesamt mussten an diesem Tag mehr als 4800 Höhenmeter bewältigt werden. Als Busfahrer, Organisator und Streckenlotse, bei dem alle Fäden und Daten zusammenliefen, fungierte Sascha Klee. Ihm zollten alle Teilnehmer für die perfekte Streckenvermessung am PC im Vorfeld ein besonderes Lob.
Teilnehmer: Klaus Arnold, Rhys Bishop, Eva Deutsch, Marcus Enders, Andreas Grau, Susi und Tino Haßmüller, Anna Lena Klee, Sebastian Martin, Nico Mühling, Daniela Mültner, Bastian Reukauf, Daniel und Nadine Richter, Jochen Rüttiger Radbegleitung), Dietmar Schultheis, Johannes Simon, Andreas Stubenrauch, Holger Trump, Julian Trabert, Marvin Utsch und Antje Weber.
Text: Michaela Greier